Kapuzenroutine

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Kapuzenroutine

#1 Beitrag von Besucher » Sa 27. Jan 2024, 20:59

Was ich als Kind bzw. als Jugendlicher anziehen musste, richtete sich nach dem Wetter und nicht nach dem Kalender. Allerdings war in meinen jungen Jahren im Gegensatz zu jetzt das Wetter relativ konstant, so dass es in etwa hieß: „Ab heute zum Rausgehen immer den Anorak anziehen!“ „Ab heute immer die Mütze aufsetzen!“ Die hatte ja damals noch Priorität. Somit gab es dann zunächst auch keine Kapuzenroutine, außer dass ich sie aufzusetzen hatte, wenn es regnete. Ansonsten war sie eher die Ausnahme. Wenn es z. B. besonders kalt oder nasskalt war, griff meine Mutter bevor ich rausging allerdings noch nach hinten, zog mir die Kapuze über die Mütze und band sie zu. Das ging aber nicht über einen gewissen Zeitraum – gewissermaßen als Routine -, sondern z. B. heute ja, morgen nicht, übermorgen auch nicht, aber den Tag darauf wieder – je nach Wetter bzw. Empfinden, obwohl es z. B. Winter und allgemein kalt war. Das passierte auch unterwegs – auch noch im Frühjahr. Auch wenn andere Kinder, die mit dabei waren von ihren Eltern nicht die Kapuze übergezogen bekamen. Und es gab bei Bedarf Extraanwei­sun­gen zum Aufsetzen der Kapuze, wie z. B. „Setz auf dem Heimweg deine Kapuze auf.“ Das waren aber immer Einzelvorkommnisse.

Eine Kapuzenroutine gab es jedoch: In der Regel hatte ich immer meine Pudelmütze aufzusetzen. Wenn es aber regnete und ich das Regencape überziehen sollte, dann musste ich statt der Pudelmütze meine Anorakkapuze aufsetzen. Dazu gab es keine Begründung, denn die Kapuze des Regencapes war groß genug, denn, wenn es besonders kalt war, hatte ich die Pudelmütze und die Anorakkapuze darunter. Aber die allgemeine Routine hier war: Anorakkapuze aufsetzen und zubinden: Ich. Regencapekapuze aufsetzen und zubinden: Meine Mutter.

Bei einem Freund war es so, dass er, wenn auch nicht zu 100 %, aber fast immer automatisch seine Kapuze aufsetzte – sagen wir zu 95 %. Als die Familie bei uns zu Besuch war und wir zum Eisenbahnspielen in den Keller gingen, sagte seine Mutter zu ihm: „Zieh deinen Anorak an!“ (Ich brauchte ihn nicht anziehen. Im Keller war es eigentlich nicht kalt.) Von der Kapuze war nicht die Rede, aber er hat sie automatisch aufgesetzt, obwohl ich noch nicht einmal meinen Anorak an hatte. Auch wenn es nur in den Keller ging, steckte sein Kopf in der gefütterten warmen Kapuze. Das nenne ich eine gute Kapuzenroutine.

Ähnlich in der Grundschule. Da hatte ich eine Mitschülerin, die auch, zumindest so wie ich mich noch erinnere, zum Anorak automatisch ihre Kapuze aufgesetzt hatte und das auch nicht als unangenehme Pflicht empfand.

Das war bei mir nach der Umstellung von Mütze auf die Kapuze ähnlich. Meine Mutter hatte die dünne, viel zu große Kapuze meines Anoraks abgetrennt, mit Plüsch gefüttert und außen so angenäht, dass ich sie gut mit Mütze drunter aber auch super solo tragen konnte und sie auch beim festen Zubinden ohne Mütze drunter nicht in die Augen ging. Seit dieser Anpassung habe ich, so gut wie immer wenn ich den Anorak angezogen habe, auch meine Kapuze aufgesetzt und zugebunden ohne auf's Thermometer zu schauen. Mütze allein gab es dann nicht mehr. Meine Mutter sprach dann noch von „Mütze unter die Kapuze“.

Noch bevor das so war und auch bevor (leider viel zu spät) zum Radfahren das grundsätzliche Aufsetzen der Kapuze festgelegt wurde, hatte ich der besseren Erkennbarkeit wegen eine gefütterte feste gelbe Regenjacke bekommen, die ich dann bei schlechten Sichtverhältnissen anstelle des Anoraks anziehen sollte. Ich bin mir so gut wie sicher – wenn ich, wie früher, den Anorak angezogen hätte, hätte ich zu dem Zeitpunkt nicht immer die Mütze oder Kapuze aufgesetzt gehabt, aber interessanter Weise habe ich die Kapuze der Regenjacke – von ganz wenigen Ausnahmen am Anfang abgesehen – immer aufgesetzt und zugeschnürt. Immer – also auch bei trockenem Wetter und auch wenn es gar nicht so kalt war. Das war dann echte Kapuzenroutine.

Meinen plüschgefütterten Parka trug ich ja in der kalten Jahreszeit, und da war natürlich Kopfbedeckung Pflicht. Zu dem Parka bekam ich eine Mütze mit Fellimitat (für gute Zwecke). Nachdem ich beim Anorak schon auf Kapuze umgestellt hatte, wollte ich das dann beim Parka natürlich auch und meine Mutter akzeptierte das erfreulicher Weise, obwohl ihr die Mütze so gut gefiel. Somit hatte ich bei meinem Parka die Kapuze dann immer auf – solo oder mit der Pudelmütze drunter. Das war dann auch richtige Kapuzenroutine. Die Parkakapuze hatte keine Kordel, aber wenn ich die beiden zusätzlichen Druckknöpfe oben benutzte, saß sie so fest wie zugebunden. Wenn ich die Pudelmütze drunter hatte, konnte ich den letzten Knopf nicht mehr schließen.
Vielleicht weil ich sie immer auf hatte - die Nachbarin sprach von meinem „Mantel mit der Kapuze“.

Ähnlich war das bei einem Freund meines Sohnes. Wenn er einen Anorak an hatte, dann war auch die Kapuze auf seinem Kopf. Auch als wir ihn eine längere Strecke mit dem Auto mitgenommen haben. Also bei ihm schien es, dass beim Anziehen des Anoraks das Aufsetzen der Kapuze so dazugehört, wie das Hochziehen des Reißverschlusses. Das nenne ich echte Kapuzenroutine. So, wie bei mir damals mit der Mütze. In der entsprechenden Zeit – automatisch, ohne dass etwas gesagt werden musste: Anorak an und Pudelmütze auf. Das wäre mit der Kapuze viel schöner gewesen. Manchmal kam sie ja erfreulicher Weise noch zusätzlich drüber – anfangs von meiner Mutter, später dann auch von mir.

Ich erinnere mich auch noch an einen Mitschüler. Wir haben uns eine Zeitlang auf dem Schulweg mit unseren Fahrrädern immer getroffen. Ich war im Anorak mit Pudelmütze und er hatte auch seine Mütze auf und ausnahmslos immer seine Anorakkapuze drüber, nicht nur an besonders kalten Tagen. Wir haben aber nicht darüber gesprochen. Vielleicht sollte er immer warm eingepackt sein (Kapuze über der Mütze finde ich einfach super.) oder es ist so eine Routine wie sie bei mir später durch die Mutter meiner Freunde (und zugleich Freundin meiner Mutter) kam: Zum Radfahren wird grundsätzlich die Kapuze aufgesetzt und zugebunden, auch wenn es nicht kalt ist. Es ist zum Schutz vor dem Fahrtwind. Auch wenn schon eine Mütze aufgesetzt ist, die Kapuze deckt einfach mehr ab, schützt den Nacken (weil man ja meistens doch keinen Schal um hat) und der Wind kann nicht durch die Mütze blasen. Ich kam dort auch mal mit Ohrenschützern an, aber nach Hause ging es dann, wie zu erwarten war, mit drübergezogener und zugebundener Kapuze (Kapuzenroutine).

Das wäre so eine Regel bzw. Routine wie z. B.: Bei Regen sowie nach dem Hallenbadbesuch und auch immer zum Radfahren ist automatisch die Kapuze aufzusetzen und zuzubinden, unabhängig von der Temperatur und auch unabhängig davon, ob man noch eine Mütze auf hat oder nicht.

Als ich einmal nur meine Windjacke und den Windbreaker darüber an hatte und für den Heimweg um eine Mütze bat, weil es doch ziemlich frisch war, hatte sie zwar eine in der Hand, lag sie aber wieder weg und ich bekam stattdessen einen wattierten Parka ausgeliehen, „weil die Kapuze besser ist“.

Meine Mutter hatte die Kapuzenkordel meines gelben Windbreakers und die meiner gelben festen gefütterten Regenjacke durch einen strammen Gummi ersetzt, denn bedingt durch die Einstellung der Mutter meiner Freunde galt es mittlerweile: „Diese Kapuzen werden zum Radfahren immer aufgesetzt, auch wenn ich schon (eine Mütze und) die Anorakkapuze auf habe.“ Dann brauchte ich also nur die Kapuze vom Anorak zuzubinden und die Kordeln konnten dann auch nicht durcheinander kommen.

Wenn ich also jetzt an frühere Momente denke, wo meine Ersatzoma mir kurz vor dem Rausgehen, nachdem ich den Anorak schon an hatte, zurief: „Kapuze auf!“, weil ich sie sonst nicht aufgesetzt hätte oder meine Mutter mir ein anderes Mal beim Weggehen nachrief: „Denk dran, du hast eine Kapuze!“ oder ich beim Wegfahren die Anweisung erhielt, auf dem Heimweg „auf jeden Fall die Kapuze aufzusetzen,“ dann war das noch keine Kapuzenroutine, aber im Lauf der Zeit hat sie sich glücklicherweise ergeben.